Planet Interview 02.09.2005

Interview: Christoph Lukas

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"Schwarze Schafe“ (erster Arbeitstitel war "Goodbye Reagan") ist eine Anarcho-Komödie, ein bissiger und zugleich liebevoller Film über Berliner in Geldnot, der sich in dreckigen Schwarz-Weiß-Bildern in sechs Episoden erzählt. Alle Protagonisten sind mit dem Ziel unterwegs, ihre finanziellen Nöte mit miesen Tricks oder waghalsigen Ideen zu meistern und Profit zu schlagen. Natürlich scheitern sie allesamt kläglich – und gewinnen dazu. Die Macher von „Schwarze Schafe“ brechen in nahezu allen Bereichen Tabus und haben trotzdem einen hohen Anspruch: Oliver Rihs und Olivier Kolb wollten das Publikum mit diesem Film unterhalten, so wie sie selber auch gerne unterhalten werden…

„Schwarze Schafe“ ist ein bewusst unabhängig produzierter Film. Es gehört viel Mut dazu ein solches Projekt selbst zu finanzieren. Was bewog euch zu dieser Entscheidung?

OLIVER RIHS: Mut? Es hat uns vor allem der Spaß zu dem Projekt geführt, um wirklich mal eine Arbeit ohne Förderungsgelder machen zu können, die quasi nur von uns alleine bestimmt ist. Mal wieder so loszulegen, wie wir das damals gemacht haben, als wir den ersten Kontakt mit dem Film gemacht haben, nämlich unverfroren, teils vielleicht gar naiv, verspielt oder frech … der Mut ist, dass wir unser letztes Erspartes für diesen Spaß hergegeben haben.

Gab es bei euren zurückliegenden, finanzierten Arbeiten frustrierende Erlebnisse, dadurch dass ihr extrem weitgreifende Anpassungen machen musstet?

OLIVIER KOLB: …das war eben der Grund, ein solches Projekt zu wagen. Durch alle Bereiche. Von der Idee, was den Look des Films betrifft, den Geschichten, die Herangehensweise an die Head of Departments, Low Budget, - ein straff organisierter Stab, der Adolfmäßig salutiert… - das letzte war Spaß… nicht? - Ich glaube, dass man mit einer klaren Vision, die wiederum Ergänzendes offen lässt, Menschen am besten begeistert… aber am meisten begeistert man sie, mit dem Versprechen, einmal das tun zu dürfen, wonach einem schon immer Kragen stand. Und da gründet ein Kern unseres Projektes. Jedes Department kennt diese "…greifenden Anpassungen" - diese schufen wir mit unserem Film aus der Welt.

OLIVER RIHS: … da waren schon Enttäuschungen mit ausschlaggebend für diese jetzige Motivation.  Und immer diese von Grund an kommerzielle Ausrichtung. Man prostituiert seine Kreativität oft schon vor der ersten geschriebenen Zeile. Will das jemand? Wird dies der Produzent, die Förderungsanstalten, der Redakteur mögen? Ich wollte einfach mal wieder tun, worauf alleine ich Lust habe. Mit dem Glauben, dass man so auch am ehrlichsten ein begeistertes Publikum finden kann.

Würdet ihr wieder gern auf diese freie Art weiter arbeiten, wenn ihr zukünftig die Möglichkeit dazu hättet?

OLIVIER KOLB: Keine Frage! (…) nur gälte es wieder eine ähnliche Situation herzustellen. Damit muss man einerseits umgehen können, andererseits müssten wieder Geschichten her, die viel Handlung bietet, - Groteske und die Suche nach einer eigenen Form. …ganz so einfach ist das nicht;

OLIVER RIHS: Ich habe das Bedürfnis, weiter Experimente eingehen zu können, heraus zu finden, wie ich am Liebsten drehe. Es gibt doch noch so viele andere Möglichkeiten, als mit einer fetten, vierzigköpfigen Crew, in fünf, sechs Wochen Drehzeit einfach nur Szenen, dass Storyboards dafür gezeichnet und vom Produzenten abgesegnet wurden und man mehr oder weniger Fließbandarbeit macht, als wirklich einen kreativen Prozess am Drehort selber entstehen zu lassen. Das ist viel lebensnaher! Das schöne auch an unserer Drehtaktik war, dass wir immer wieder unterschiedlich viele Pausentage in die Drehzeit legten.

Der Film hat einen erstaunlichen Cast, wie kam dieser zustande?

OLIVER RIHS: Einige der Darsteller wollte ich, noch bevor ich die Bücher geschrieben hatte. Da bestand halt das Risiko, dass sie dann nicht wollen oder konnten. Alle Darsteller waren von den Figuren sofort angetan, Robert Stadlober, Tom Schilling, Marc Hosemann, Jule Böwe, Bruno Cathomas, Frank Giering, Milan Peschel; ihre nonchalante Art trägt das Projekt und wird ein Teil des Films. Eben gerade dort wäre es mit einer finanzierten Produktion, fast schwieriger geworden diese Leute zu bekommen, als ihnen einfach zu sagen:“ Hey wir finden euch cool! Was haltet ihr von unserem Projekt? Bezahlen können wir euch leider nicht. Habt Ihr Spaß daran mit zu machen, oder nicht?“ Ich glaube, das hat den meisten eigentlich gefallen, weil viele der Schauspieler danach dürstete wonach es uns gedürstet hat: nämlich einfach hemmungslos loslegen zu können. Das war auch das, was ich den Schauspielern versprochen habe, dass ich da nicht die totale Kontrolle behalte und dass ich dort ihre Persönlichkeit und Kreativität in die Figuren mit einfließen lassen möchte. Genauso war es bei den Mitarbeitern. Bei der Ausstattung beispielsweise, dort gab es einige Sachen die ich mir anders vorgestellt hatte, ich dann aber dachte:“ Ich will das zulassen.“ Wenn sie schon den Geist unserer Sache mögen, will ich den auch ehrlich weitertragen und nicht nur den dicken Finger auf allem drauf halten. Ich wollte mich von dem Potential der Mitarbeiter und Schauspieler bereichern lassen und ihnen nicht nur sagen, was sie zu tun haben. Mich interessiert das Thema Kontrolle sehr, denn bei jedem Film ist das immer ein zentrales Thema und im Grunde genommen ist jeder Filmemacher auf seine Art ein Kontrollfreak. 

Ich wollte dieses Thema Kontrolle etwas expandieren, es hinterfragen. Was ist Kontrolle? Wann ist sie nötig und wann musst du die Leute ungehemmt walten lassen?

Gab es im Laufe der Dreharbeiten Schwierigkeiten, dadurch dass Ihr alles selbst finanziert habt, die euch an den Punkt gebracht haben „O.k. das war's, wir hören auf?“

OLIVIER KOLB: Dieses Gefühl hast du in fast jeder Produktionen einmal! Es gibt immer wieder "Ereignisse" wo du denkst : “rien ne va plus.“ Terry Gilliams: Lost in la Mancha, lässt grüßen. Das ist der Alptraum eines jeden Filmers und seltsamerweise - ausgerechnet in unserem Projekt hatte ich nicht mal im Ansatz einen solchen Gedanken.

Wenn der Dreh abzubrechen drohten oder gar unterbrochen wurde, entstanden sofort Ideen, deren Umstände in den Film zu integrieren. Wir hingen nie wirklich fest, und doch gab aber sehr viele äußere Einflüsse z.B. von Passanten, die zufällig bei unserem Dreh zugegen waren und auf uns reagierten - sehr unterschiedlich.

Jetzt zu einer formalen Frage. Was hat euch dazu bewogen Schwarz-Weiss zu drehen, bzw. den Film auf s/w raus bringen zu wollen?

OLIVIER KOLB: Als Fotograf bin ich mit Schwarz-Weiss groß geworden. In Schwarz-Weiss ist ein Charakter besser zu lesen, störende Hintergründe werden zur angenehmen Kulisse, mein zweiter Gedanke war, dass der Technische Aufwand ein einfacheres Produzieren erlaubt. Du kannst jede Lichtquelle benutzen, egal welche Farbe sie hat.

Die Idee, letztendlich die "Innen/Nacht" Bilder mit Bauleuchten und/oder Neonröhren zu belichten, entstand als ich zufällig einer unserer Ausstatter, Jochen Sauter, im Baumarkt erwischte, für eine Szene Neonröhren zu kaufen. Wir sprachen vor der Kasse lange über Licht. Diese Gespräch bewog mich dazu, das ganze Lichtbudget der Ausstattung zu übertragen. Damals überraschte mich mein Mut, aus jetziger Sicht ist es eine logische Entscheidung. Dazu kommt aber, dass ich es liebe, einen Raum in alle Achsen einzuleuchten, um danach die Gewissheit zu haben, ich kann ohne Umbauten in alle Richtungen schießen. Hinzu kommt, dass sich dadurch den Schauspielern eine viel größere Spielmöglichkeiten öffnet. 

Der Film hat einige Episoden die gesellschaftlich nicht korrekt sind, hatte es damit zu tun, dass es der Spaß an der Freude, am übertreten der Konventionen lag solche Themen zu suchen? Denn ich weiss, dass ihr sehr viel Spaß bei der Arbeit hattet.

OLIVIER KOLB: Was ist Gesellschaftlich nicht korrekt, nicht P.C…? Der gedachte Gedanke, eine Umsetzung oder die Wirklichkeit? Das sind doch alles Geschichten die ich mehr oder weniger, eins zu eins in Berlin erlebe. Eher noch heftiger. Hier in Kreuzberg erlebst du Tag täglich solche Geschichten, der einzige Kunstgriff passiert in der Herauskristallisierung der Groteske. Wegschauen oder weghören, ist Gesellschaftlich unkorrekt! …in gewissen Fällen ein Verbrechen.

OLIVER RIHS: Wenn man einen Blick nach draußen wirft, stimmt das sicher, andererseits hat der Film subversive Elemente, die mich ganz sicher gereizt haben. Ich bin schon immer vom subversiven Film fasziniert gewesen und ich finde, dass das ein Bereich ist, der immer mehr verdrängt wird, gerade im Deutschen Kino ist er schon fast ganz verschwunden. Es geht mir dabei aber nicht um die Subversion als Selbstzweck, sondern darum, subversive Elemente zu nehmen und den Zuschauer bewusst herauszufordern, um ihn in seine Denkart, in seiner Wahrnehmungsart auch Bilder zu präsentieren, die er weder vom Fernsehen oder vom Kino gewohnt ist. Ihn in seiner Wahrnehmung heraus zu fordern.

Wie geht es jetzt weiter? Wann plant ihr die Fertigstellung?

OLIVER RIHS: Die Fertigstellung ist geplant plus minus Ende März 2006

Und wird das Material auf Film ausbelichtet?

OLIVIER KOLB: Ja das muss sein. Ganz interessant ist, dass ausgerechnet von SwissEffects von Thomas Krönke die Idee kam den Film auf echtes s/w-Material auszubelichten, denn das hatte man schon eine ganze Weile nicht mehr gemacht! Auf jeden Fall machen wir Tests um zu sehen wie das aussieht. SwissEffects ist aber der richtige Partner dafür.

Last not least, wie stellt ihr euch die Auswertung vor?

OLIVIER KOLB: Es war von Anfang an klar dass eine Fernsehauswertung eher schwierig wird. Ironischerweise habe ich aber schon Anfragen aus der Privatsenderecke, dass die sich sehr wohl für so etwas interessieren, da muss man sehen. Zunächst wird eine Auswertung auf jeden Fall einmal das Kino ansteuern, dort liegt ein großes Potential. Ein paar Festivals würden wir wohl auch angehen. (…) Der Film hat einen sehr hohen Unterhaltungswert. „Schwarze Schafe“ sind wir dem Kinopublikum geradezu schuldig!

Das Interview führte Christoph Lukas

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