"Schwarze
Schafe“ (erster Arbeitstitel war "Goodbye Reagan") ist eine Anarcho-Komödie, ein bissiger und zugleich liebevoller
Film über Berliner in Geldnot, der sich in dreckigen Schwarz-Weiß-Bildern
in sechs Episoden erzählt. Alle Protagonisten sind mit dem Ziel unterwegs,
ihre finanziellen Nöte mit miesen Tricks oder waghalsigen Ideen zu
meistern und Profit zu schlagen. Natürlich scheitern sie allesamt kläglich
– und gewinnen dazu. Die Macher von „Schwarze Schafe“ brechen in
nahezu allen Bereichen Tabus und haben trotzdem einen hohen Anspruch:
Oliver Rihs und Olivier Kolb wollten das Publikum mit diesem Film
unterhalten, so wie sie selber auch gerne unterhalten werden…
„Schwarze
Schafe“ ist ein bewusst unabhängig produzierter Film. Es gehört viel
Mut dazu ein solches Projekt selbst zu finanzieren. Was bewog euch zu
dieser Entscheidung?
OLIVER
RIHS: Mut? Es hat uns vor allem der
Spaß zu dem Projekt geführt, um wirklich mal eine Arbeit ohne Förderungsgelder
machen zu können, die quasi nur von uns alleine bestimmt ist. Mal wieder
so loszulegen, wie wir das damals gemacht haben, als wir den ersten
Kontakt mit dem Film gemacht haben, nämlich unverfroren, teils vielleicht
gar naiv, verspielt oder frech … der Mut ist, dass wir unser letztes
Erspartes für diesen Spaß hergegeben haben.
Gab
es bei euren zurückliegenden, finanzierten Arbeiten frustrierende
Erlebnisse, dadurch dass ihr extrem weitgreifende Anpassungen machen
musstet?
OLIVIER
KOLB: …das war eben der Grund, ein
solches Projekt zu wagen. Durch alle Bereiche. Von der Idee, was den Look
des Films betrifft, den Geschichten, die Herangehensweise an die Head of
Departments, Low Budget, - ein straff organisierter Stab, der Adolfmäßig
salutiert… - das letzte war Spaß… nicht? - Ich glaube, dass man mit
einer klaren Vision, die wiederum Ergänzendes offen lässt, Menschen am
besten begeistert… aber am meisten begeistert man sie, mit dem
Versprechen, einmal das tun zu dürfen, wonach einem schon immer Kragen
stand. Und da gründet ein Kern unseres Projektes. Jedes Department kennt
diese "…greifenden Anpassungen" - diese schufen wir mit
unserem Film aus der Welt.
OLIVER
RIHS: … da waren schon Enttäuschungen
mit ausschlaggebend für diese jetzige Motivation. Und immer diese
von Grund an kommerzielle Ausrichtung. Man prostituiert seine Kreativität
oft schon vor der ersten geschriebenen Zeile. Will das jemand? Wird dies
der Produzent, die Förderungsanstalten, der Redakteur mögen? Ich wollte
einfach mal wieder tun, worauf alleine ich Lust habe. Mit dem Glauben,
dass man so auch am ehrlichsten ein begeistertes Publikum finden kann.
Würdet
ihr wieder gern auf diese freie Art weiter arbeiten, wenn ihr zukünftig
die Möglichkeit dazu hättet?
OLIVIER
KOLB: Keine Frage! (…) nur gälte
es wieder eine ähnliche Situation herzustellen. Damit muss man einerseits
umgehen können, andererseits müssten wieder Geschichten her, die viel
Handlung bietet, - Groteske und die Suche nach einer eigenen Form. …ganz
so einfach ist das nicht;
OLIVER
RIHS: Ich habe das Bedürfnis,
weiter Experimente eingehen zu können, heraus zu finden, wie ich am
Liebsten drehe. Es gibt doch noch so viele andere Möglichkeiten, als mit
einer fetten, vierzigköpfigen Crew, in fünf, sechs Wochen Drehzeit
einfach nur Szenen, dass Storyboards dafür gezeichnet und vom Produzenten
abgesegnet wurden und man mehr oder weniger Fließbandarbeit macht, als
wirklich einen kreativen Prozess am Drehort selber entstehen zu lassen.
Das ist viel lebensnaher! Das schöne auch an unserer Drehtaktik war, dass
wir immer wieder unterschiedlich viele Pausentage in die Drehzeit legten.
Der
Film hat einen erstaunlichen Cast, wie kam dieser zustande?
OLIVER
RIHS: Einige der Darsteller wollte
ich, noch bevor ich die Bücher geschrieben hatte. Da bestand halt das
Risiko, dass sie dann nicht wollen oder konnten. Alle Darsteller waren von
den Figuren sofort angetan, Robert Stadlober, Tom Schilling, Marc Hosemann,
Jule Böwe, Bruno Cathomas, Frank Giering, Milan Peschel; ihre nonchalante
Art trägt das Projekt und wird ein Teil des Films. Eben gerade dort wäre
es mit einer finanzierten Produktion, fast schwieriger geworden diese
Leute zu bekommen, als ihnen einfach zu sagen:“ Hey wir finden euch
cool! Was haltet ihr von unserem Projekt? Bezahlen können wir euch leider
nicht. Habt Ihr Spaß daran mit zu machen, oder nicht?“ Ich glaube, das
hat den meisten eigentlich gefallen, weil viele der Schauspieler danach dürstete
wonach es uns gedürstet hat: nämlich einfach hemmungslos loslegen zu können.
Das war auch das, was ich den Schauspielern versprochen habe, dass ich da
nicht die totale Kontrolle behalte und dass ich dort ihre Persönlichkeit
und Kreativität in die Figuren mit einfließen lassen möchte.
Genauso war es bei den Mitarbeitern. Bei der
Ausstattung beispielsweise, dort gab es einige Sachen die ich mir anders
vorgestellt hatte, ich dann aber dachte:“ Ich will das zulassen.“ Wenn
sie schon den Geist unserer Sache mögen, will ich den auch ehrlich
weitertragen und nicht nur den dicken Finger auf allem drauf halten. Ich
wollte mich von dem Potential der Mitarbeiter und Schauspieler bereichern
lassen und ihnen nicht nur sagen, was sie zu tun haben. Mich interessiert
das Thema Kontrolle sehr, denn bei jedem Film ist das immer ein zentrales
Thema und im Grunde genommen ist jeder Filmemacher auf seine Art ein
Kontrollfreak. |
Ich
wollte dieses Thema Kontrolle etwas expandieren, es hinterfragen. Was ist
Kontrolle? Wann ist sie nötig und wann musst du die Leute ungehemmt
walten lassen?
Gab
es im Laufe der Dreharbeiten Schwierigkeiten, dadurch dass Ihr alles
selbst finanziert habt, die euch an den Punkt gebracht haben „O.k. das
war's, wir hören auf?“
OLIVIER
KOLB: Dieses Gefühl hast du in fast
jeder Produktionen einmal! Es gibt immer wieder "Ereignisse" wo
du denkst : “rien ne va plus.“ Terry Gilliams: Lost in la Mancha, lässt
grüßen. Das ist der Alptraum eines jeden Filmers und seltsamerweise -
ausgerechnet in unserem Projekt hatte ich nicht mal im Ansatz einen
solchen Gedanken.
Wenn
der Dreh abzubrechen drohten oder gar unterbrochen wurde, entstanden
sofort Ideen, deren Umstände in den Film zu integrieren. Wir hingen nie
wirklich fest, und doch gab aber sehr viele äußere Einflüsse z.B. von
Passanten, die zufällig bei unserem Dreh zugegen waren und auf uns
reagierten - sehr unterschiedlich.
Jetzt
zu einer formalen Frage. Was hat euch dazu bewogen Schwarz-Weiss zu drehen,
bzw. den Film auf s/w raus bringen zu wollen?
OLIVIER
KOLB: Als Fotograf bin ich mit
Schwarz-Weiss groß geworden. In Schwarz-Weiss ist ein Charakter besser zu
lesen, störende Hintergründe werden zur angenehmen Kulisse, mein zweiter
Gedanke war, dass der Technische Aufwand ein einfacheres Produzieren
erlaubt. Du kannst jede Lichtquelle benutzen, egal welche Farbe sie hat.
Die
Idee, letztendlich die "Innen/Nacht" Bilder mit Bauleuchten und/oder
Neonröhren zu belichten, entstand als ich zufällig einer unserer
Ausstatter, Jochen Sauter, im Baumarkt erwischte, für eine Szene Neonröhren
zu kaufen. Wir sprachen vor der Kasse lange über Licht. Diese Gespräch
bewog mich dazu, das ganze Lichtbudget der Ausstattung zu übertragen.
Damals überraschte mich mein Mut, aus jetziger Sicht ist es eine logische
Entscheidung. Dazu kommt aber, dass ich es liebe, einen Raum in alle
Achsen einzuleuchten, um danach die Gewissheit zu haben, ich kann ohne
Umbauten in alle Richtungen schießen. Hinzu kommt, dass sich dadurch den
Schauspielern eine viel größere Spielmöglichkeiten öffnet.
Der
Film hat einige Episoden die gesellschaftlich nicht korrekt sind, hatte es
damit zu tun, dass es der Spaß an der Freude, am übertreten der
Konventionen lag solche Themen zu suchen? Denn ich weiss, dass ihr sehr
viel Spaß bei der Arbeit hattet.
OLIVIER
KOLB: Was ist Gesellschaftlich nicht
korrekt, nicht P.C…? Der gedachte Gedanke, eine Umsetzung oder die
Wirklichkeit? Das sind doch alles Geschichten die ich mehr oder weniger,
eins zu eins in Berlin erlebe. Eher noch heftiger. Hier in Kreuzberg
erlebst du Tag täglich solche Geschichten, der einzige Kunstgriff
passiert in der Herauskristallisierung der Groteske. Wegschauen oder weghören,
ist Gesellschaftlich unkorrekt! …in gewissen Fällen ein Verbrechen.
OLIVER
RIHS: Wenn man einen Blick nach draußen
wirft, stimmt das sicher, andererseits hat der Film subversive Elemente,
die mich ganz sicher gereizt haben. Ich bin schon immer vom subversiven
Film fasziniert gewesen und ich finde, dass das ein Bereich ist, der immer
mehr verdrängt wird, gerade im Deutschen Kino ist er schon fast ganz
verschwunden. Es geht mir dabei aber nicht um die Subversion als
Selbstzweck, sondern darum, subversive Elemente zu nehmen und den
Zuschauer bewusst herauszufordern, um ihn in seine Denkart, in seiner
Wahrnehmungsart auch Bilder zu präsentieren, die er weder vom Fernsehen
oder vom Kino gewohnt ist. Ihn in seiner Wahrnehmung heraus zu fordern.
Wie
geht es jetzt weiter? Wann plant ihr die Fertigstellung?
OLIVER
RIHS: Die Fertigstellung ist geplant
plus minus Ende März 2006
Und
wird das Material auf Film ausbelichtet?
OLIVIER
KOLB: Ja das muss sein. Ganz
interessant ist, dass ausgerechnet von SwissEffects von Thomas Krönke die
Idee kam den Film auf echtes s/w-Material auszubelichten, denn das hatte
man schon eine ganze Weile nicht mehr gemacht! Auf jeden Fall machen wir
Tests um zu sehen wie das aussieht. SwissEffects ist aber der richtige
Partner dafür.
Last
not least, wie stellt ihr euch die Auswertung vor?
OLIVIER
KOLB: Es war von Anfang an klar dass
eine Fernsehauswertung eher schwierig wird. Ironischerweise habe ich aber
schon Anfragen aus der Privatsenderecke, dass die sich sehr wohl für so
etwas interessieren, da muss man sehen. Zunächst wird eine Auswertung auf
jeden Fall einmal das Kino ansteuern, dort liegt ein großes Potential.
Ein paar Festivals würden wir wohl auch angehen. (…) Der Film hat einen
sehr hohen Unterhaltungswert. „Schwarze Schafe“ sind wir dem
Kinopublikum geradezu schuldig!
Das
Interview führte Christoph
Lukas
www.terradigitalis.de |